338 Milliarden Krankheitskosten – fast keine Kuren mehr
Bad Füssing – Der Bayerische Heilbäder-Verband schlägt Alarm: Die ambulanten Kuren sind 2017 auf einem historischen Tiefstand angelangt. Nach Angaben der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe gab es im vergangenen Jahr bundesweit nur noch knapp 37.000 ambulante Vorsorgeleistungen nach §23 Abs. 2 SGB V in anerkannten Kurorten. Noch Mitte der 90er Jahre waren es 900.000. In Bayern sank die Zahl auf knapp 16.000 ab. „Diese Zahlen sind erschütternd, wenn wir uns im Gegensatz dazu die Krankheitskosten vor Augen halten“, sagte der Vorsitzende des Bayerischen Heilbäder-Verbandes Klaus Holetschek. „Nach den letzten Erhebungen des Bundesamtes für Statistik betrugen die Krankheitskosten in Deutschland 2015 rund 338 Milliarden Euro. Unser Gesundheitssystem läuft aus dem Ruder. Und ich sehe keine Bemühungen des Gesetzgebers und der Krankenkassen, irgendetwas daran zu ändern.“
Spitzenreiter bei den Ausgaben waren Herz-Kreislauf-Erkrankungen mit rund 46,4 Milliarden Euro, gefolgt von Psychischen und Verhaltensstörungen mit 44,4 Milliarden Euro. Die Ausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung betrugen 2015 nach einer Studie der HSH Nordbank 202 Milliarden Euro – ein neuer Rekord. Nur ein Prozent davon floss in Prävention.
Holetschek betonte, dass die bayerischen Heilbäder und Kurorte gerade in den letzten Jahren viele wissenschaftlich fundierte Präventionsprogramme entwickelt hätten. Beispiele dafür sind „ Mit Moor zum Inneren Gleichgewicht“ in Bad Aibling, das Bewegungsprogramm „Fit4Life“ in Bischofsgrün oder das Programm „Rücken und Gelenke“ in Bad Birnbach. Unter dem Titel „PFLEGEprevent“ startete 2018 ein maßgeschneidertes Präventionsprogramm für Pflegekräfte. „Wir sind nicht so naiv zu glauben, dass wir wieder zurück zu den 900.000 ambulanten Kuren kommen sollen oder müssen. Das gesamte Präventionssystem gehört aber auf den Prüfstand. So wie jetzt kann es nicht weiter gehen. Wir müssen uns doch nur die demographische Entwicklung, die längere Lebensarbeitszeit der Menschen und die zunehmenden Volkskrankheiten wie Rückenleiden, Diabetes oder Demenz anschauen. Und das Thema Pflege und Prävention für Pflegekräfte und pflegende Angehörige ist die Herausforderung schlechthin in den nächsten Jahren.“
Der Bayerische Heilbäder-Verband fordert den Bund deshalb auf, das Präventionsgesetz komplett zu überarbeiten und den Risiko-Strukturausgleich der Krankenkassen umgehend auf den Prüfstand zu stellen. „Das Präventionsgesetz ist ein zahnloser Tiger mit vielen schwammigen Formulierungen ohne die Möglichkeit, Druck auf die Krankenkassen auszuüben. Der Risikostrukturausgleich belohnt Krankenkassen mit hohen Ausgaben für Krankheiten“, so Holetschek. Für ein effektives betriebliches Gesundheitsmanagement müsse der Gesetzgeber mehr steuerliche Anreize geben. „Von den Krankenkassen erwarten wir mehr Engagement in der Prävention, mehr professionelles Gesundheitsmanagement und weniger Bürokratie für die Patienten. Wir erwarten von ihnen, dass pflegende Angehörige oder Pflegekräfte nicht um Kuren kämpfen müssen, wie wir es schon in drastischen Fällen erlebt haben.“ Insgesamt ist die Prävention eine Herausforderung für Politik und Gesellschaft, meint Holetschek. „Hier gilt schlicht der alte, aber bewährte Grundsatz: Vorbeugen ist besser als Heilen.“